Beschluss der BDKJ-Hauptversammlung 2016

Wir widersprechen - weil wir glauben!

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Datum:
Fr. 30. Sep. 2016
Von:
BDKJ

Die Debatte um den Umgang mit geflüchteten Menschen hat Deutschland in den letzten Monaten stark polarisiert. Die Beleidigungen und der blanke Hass, der in diesen Diskussionen geäußert wird, schockieren uns. Wir verurteilen Hetze und Gewalt gegen Geflüchtete und ihre Unterstützerinnen und Unterstützer zutiefst! Alle Formen von Menschenfeindlichkeit, Menschenrechtsverletzungen, Unrecht und Unterdrückung fordern uns heraus. Das Ankämpfen gegen Armut und Hunger, Krankheit und Entrechtung sowie das Bemühen um humanere Lebensbedingungen ist unsere christliche Aufgabe, der wir in unserem jugendpolitischen, entwicklungs- und sozialpolitischen Engagement nachkommen. Besonders schockiert es uns deshalb, wenn Beleidigungen, Beschimpfungen, Hass und Gewalt mit der Verteidigung christlicher Werte begründet werden. Wir beziehen klar Stellung.

In vielen politischen Fragen kann es unter Christinnen und Christen unterschiedliche Auffassungen geben.1 Diese Vielfalt findet definitiv dort ihre Grenze, wo politische Auffassungen oder Taten die „Achtung vor der menschlichen Person“ bzw. die „Gleichheit aller Menschen und die soziale Gerechtigkeit“ in Frage stellen oder verletzen: „Jede Form einer Diskriminierung in den gesellschaftlichen und kulturellen Grundrechten der Person, sei es wegen des Geschlechts oder der Rasse, der Farbe, der gesellschaftlichen Stellung, der Sprache oder der Religion, muss überwunden und beseitigt werden, da sie dem Plan Gottes widerspricht.“2

  • Unser Selbstverständnis als katholische Jugendverbände, schließen eine Gleichgültigkeit gegenüber oder gar eine Sympathie mit rechtsextremen oder rechtspopulistischen Positionen in jeder Hinsicht aus!
  • Widerstand gegen Rechtsextremismus und Rechtspopulismus ist für uns als Christinnen und Christen Pflicht und Auftrag!

Jeder Mensch besitzt eine unveräußerliche Würde, die durch den Staat zu schützen ist. Geflüchtete nach Genfer Flüchtlingskonvention und politisch Verfolgte nach Artikel 16a Grundgesetz genießen unabhängig von ihrer Herkunft und Religion Asyl. Heute sehen wir diese Grundrechte an vielen Stellen in Gefahr.

  • Wir widersprechen der Auffassung, dass das schärfste Asylrecht seit Ende des zweiten Weltkriegs eine nachhaltige Hilfe in der gegenwärtigen Situation ist.

Einstellungen, die wir in den letzten Jahrzehnten nur vom rechten Rand unserer Gesellschaft kannten, werden in diesen Tagen wieder salonfähig. Dahinter stehen auch Ängste vor einer Verschlechterung der eigenen finanziellen und sozialen Situation. Oft sehen wir aber auch einen fehlenden Willen, veränderten gesellschaftlichen Umständen mit Offenheit zu begegnen.

  • Wir widersprechen dem Rechtfertigungsversuch von Etabliertenvorrechten. Solidarität und die vorrangige Option für Benachteiligte sind für uns Prinzipien, die von uns verlangen, nach immer gerechteren Lösungen für alle Menschen zu suchen – selbst dann, wenn dies einen Kompromiss bezüglich der eigenen Lebensstandards bedeutet. Befürchtungen von Menschen in tatsächlich prekären Lebenslagen nehmen wir gerade dadurch ernst, indem wir ökonomischen Entsolidarisierungstendenzen in unserer Gesellschaft prinzipiell entgegenwirken und uns für eine gerechtere und transparente Gestaltung der sozialen Sicherungssysteme einsetzen.

Für einige scheint ein „Europa der geschlossenen Grenzen“ die Antwort auf Probleme unserer Zeit zu sein. Rechte Gruppierungen und Parteien versuchen ihren Vorteil aus den aktuellen Herausforderungen in Europa und der zunehmenden Verunsicherung in der Bevölkerung zu ziehen. Sie stellen ein geeintes Europa und dessen Werte, Frieden, Freiheit, Demokratie und Zusammenwachsen der Staaten in Frage und verbreiten ihre nationalistischen Gedanken.

  • Wir stellen uns
    Renationalisierungstendenzen innerhalb der Europäischen Union entgegen! Keine Generation vor uns erlebte ein geeinteres und offeneres Europa. Die großen Herausforderungen werden wir nur europäisch bewältigen! Deshalb erwarten wir statt zunehmender Abschottung und Ausgrenzung konstruktive Zusammenarbeit.

Bei vielen herrscht ein generelles Misstrauen gegenüber politischen Entscheidungsträgerinnen und -trägern und den Medien. Zeitungen wie die „Junge Freiheit“ sowie zahlreiche Web-Blogs tragen dazu bei, dieses Misstrauen zu verstärken. Aus dieser Gemengelage entwickeln sich politische Einstellungen, die Minderheiten abwerten und ihnen mit großer Skepsis, wenn nicht sogar mit offener physischer oder psychischer Gewalt begegnen. Diese Einstellungen werden von rechtspopulistischen und rechtsextremen Parteien, wie beispielsweise der „Alternative für Deutschland“ (AfD), aber auch Organisationen wie die „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlands“ (PEGIDA) verstärkt. Diese diskreditieren Parteien und Medien gezielt, spielen so bewusst mit den Sorgen, Unsicherheiten und Ängsten der Bürgerinnen und Bürger.

  • Wir widersprechen populistischen Parolen, die scheinbar einfache Lösungen anbieten, nur weil sie sich gegen Verantwortungsträger und -innen richten. Geistige Brandstifter und -innen, die gesellschaftliche Gruppen aufwiegeln sind für uns keine Gesprächspartner und -innen, aber trotzdem muss sich mit ihren Positionen ernsthaft auseinandergesetzt werden.

Meinungsführerinnen und Meinungsführer des christlich-konservativen Milieus suchen bei der Abwertung anderer Religionen und im Kampf gegen Gender-Mainstreaming, Homosexualität und moderne Rollenbilder neue Allianzen mit der extremen Rechten.

  • Wir lassen nicht zu, dass im Namen unseres Glaubens Menschen ausgegrenzt und angefeindet werden. Wir widersprechen allen Argumentationen, die solche Motive vor einen christlichen Hintergrund rücken wollen!
  • Die Deutsche Bischofskonferenz hat sich in unterschiedlichen Schriften immer wieder deutlich gegen Rassismus und für eine integrative Willkommenskultur stark gemacht. Wir rufen die Verantwortlichen in der katholischen Kirche auf, keine Formen der gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit in ihren Reihen zu dulden und sich weiterhin entschieden von Personen, Organisationen oder Kommunikationsplattformen des Rechtsextremismus und Rechtspopulismus zu distanzieren, die sich den Anstrich geben, im Namen der katholischen Kirche zu sprechen, und rechtliche Schritte gegen solche Entwicklungen zu prüfen.

Gesamtgesellschaftlich wird die Kluft zwischen Arm und Reich immer größer. Teile der Bevölkerung fühlen sich von den politischen Akteurinnen und Akteuren nicht ernst genommen. Der Orientierungsverlust innerhalb unserer Gesellschaft begünstigt rechtsextremistische und rechtspopulistische Tendenzen. Deshalb muss das Vertrauen in die Demokratie und ihre Akteurinnen und Akteure und in die sozialen Sicherungssysteme erhalten und verstärkt werden, um den Anti-Demokratinnen und Anti-Demokraten keine Chance zu geben.

  • Wir treten voller Überzeugung ein für eine freiheitliche, demokratische Grundordnung und für das Rechtsstaatsprinzip
  • Wir fordern den Erhalt wirksamer sozialer Sicherungssysteme und Investitionen in einen handlungsfähigen und sozial gerechten Staat.

Wir erwarten von demokratischen Parteien, dass sie gegen Stammtischparolen vorgehen und von populistischer Stimmungsmache nicht nur Abstand nehmen, sondern ihre Parteimitglieder befähigen, diesen mit fundierten Argumenten entgegenzutreten.

  • Wir fordern die Politikerinnen und Politiker in Deutschland auf für kurzfristige Politikerfolge keine Politik auf Kosten geflüchteter Menschen zu machen! Die politisch Verantwortlichen müssen erkennbar Position beziehen und die Entwicklung wirksamer Strategien gegen Rechtsextremismus, Rechtspopulismus, Fremdenfeindlichkeit, Islamophobie und Antisemitismus aktiver und nachhaltiger als bisher unterstützen.

In den katholischen Jugendverbänden werden christliche Nächstenliebe und Demokratie erlebbar. Menschenverachtung und alle Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit haben bei uns keinen Platz. Als Jugendverbände sind wir selbst Garant für den Fortbestand und die Weiterentwicklung der Demokratie in Deutschland.

  • Wir fordern einen konsequenten, flächendeckenden Ausbau einer auf Langfristigkeit angelegten staatlichen Finanzierung der Arbeit gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit um Aktivitäten, Einrichtungen sowie Interventions- und Präventionsprojekte gegen Rechtsextremismus finanziell und strukturell langfristig abzusichern.
  • Wir fordern die Politikerinnen und Politiker in Deutschland auf für kurzfristige Politikerfolge keine Politik auf Kosten geflüchteter Menschen zu machen! Die politisch Verantwortlichen müssen erkennbar Position beziehen und die Entwicklung wirksamer Strategien gegen Rechtsextremismus, Rechtspopulismus, Fremdenfeindlichkeit, Islamophobie und Antisemitismus aktiver und nachhaltiger als bisher unterstützen.
  • Wir fordern insbesondere von den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ihrem Bildungsauftrag durch eine umfassende Auseinandersetzung mit den Fragen des gegenwärtig diskutierten Rechtspopulismus gerecht zu werden
  • Wir appellieren an die Deutsche Bischofskonferenz sich zusätzlich zu den bestehenden Positionen gegen Rassismus, auch finanziell umfangreicher am Engagement gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit zu beteiligen, beispielweise indem sie Initiativen wie die Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und
    Rechtsextremismus stärker strukturell unterstützt. Gleichzeitig fordern wir die Deutsche Bischofskonferenz auf, die Arbeit des von ihr geförderten Hilfswerks „Kirche in Not“ stärker auf ihre Verbindungen mit rechtskonservativen Gruppierungen hin zu überprüfen. Zudem muss der interreligiöse Dialog gestärkt werden.
  • Ebenso rufen wir dazu auf, die aktive Beteiligung junger Menschen anderen Glaubens in katholischen Jugendverbänden als wertvollen Beitrag zu einer friedlichen Welt anzuerkennen.
  • Wir verpflichten uns, die politische Bildungsarbeit innerhalb unserer Verbände auf allen Ebenen weiter zu fördern. Die thematische Auseinandersetzung mit Demokratie und Menschenrechten, sowie die Aufklärung über die menschenverachtenden Hintergründe und Arbeitsformen rechtsextremistischer und rechtspopulistischer Gruppierungen sind für uns unerlässliche Elemente unserer politischen Bildung; so stärken wir unsere Mitglieder gegen alle Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit.
  • Wir schließen jede Form der Kooperation mit Organisationen aus, die rechtsextremes und antidemokratisches Gedankengut in ihren eigenen Reihen dulden.
  • Wir sehen uns in der Pflicht, in unseren Aktivitäten weiterhin den interkulturellen und interreligiösen Dialog in unserem Land zu fördern – beispielsweise im Rahmen unserer Aktivitäten, Gruppenstunden, Zeltlager sowie in allen Bereichen, in denen wir als Jugendverbände Mitverantwortung tragen.
  • Durch den Ausbau unserer internationalen Jugendbegegnungen leisten wir einen Beitrag zur Verständigung zwischen Menschen auf der ganzen Welt. Wir sehen darin die Chance, im Dialog mit den jungen Menschen aus unseren Partnerstrukturen gegenseitiges Lernen über gesellschaftliche Wertvorstellungen, politische Kultur und Formen der Religiosität zu erreichen.

1 Vgl. Gaudium et spes 43; damit bejaht das Konzil das demokratische Konzept politischer Pluralität.
2 Gaudium et spes 27 - 29