Aus Feinden können Freunde werden

Aachener Friedenslauf im Gedenken an Ausbruch des 1. Weltkriegs

28_Friedenslauf (c) Paul Heesel
28_Friedenslauf
Datum:
Fr. 11. Juli 2014
Von:
Paul Heesel
„Weswegen sind wir hier?“ dröhnt die Stimme von André Schnitker aus den Boxen am Elisenbrunnen. „13. Aachener Friedenslauf!“ brüllen die Schülerinnen und Schüler. Jenny von der Viktor Frankl Schule ist dabei.
Friedenslauf
Friedenslauf

Sie sitzt im Rollstuhl und wird von ihrem ehemaligen Schulleiter Hans-Christian Rombach unterstützt, der laufend das Gefährt antreibt. 19 Schulen aus Aachen und der Region haben am 2. Juli 2430 Läufer gemeldet. Um 9.45 Uhr gehen zunächst die Grundschüler an den Start. 800 Meter misst eine Runde durch Aachens Zentrum. „Locker loslaufen“, rät Schnitker, der sonst als Hallensprecher die „Ladies in Black“ beim Volleyball anfeuert. „Und das Trinken nicht vergessen.“ Und dann geht es auch schon los. Dieses Jahr unter dem Motto „1914–2014: Aus Feinden können Freunde werden – Mach den ersten Schritt.“ Viele werden die Runde wie in den vergangenen Jahren mehr als zehnmal schaffen und damit die Portemonnaies ihrer Sponsoren gehörig schröpfen.

Für jede gelaufene Runde zahlen sie einen vorher versprochenen Spendenbetrag. 2013 sind über 43000 Euro für Friedensprojekte zusammengekommen. Dieses Jahr erwartet Projektleiterin Annett Werner von Pax Christi im Bistum Aachen einen ähnlichen Betrag. Das Geld kommt der Friedensarbeit des Netzwerks Aachener Schulen gegen Gewalt und Rassismus sowie Pax Christi und dem Forum Ziviler Friedensdienst zu Gute. Gemeinsam mit dem Aachener Friedenspreis, dem Jugendkulturcafé Pinu'u, dem DJK Sportverband, dem BDKJ im Bistum Aachen, Missio und Terre des hommes Aachen sind sie Träger des Friedenslaufs. Nach dem Start haben Annett Werner und Matthias Fischer von der Hauptschule Drimborn etwas Zeit, mit den Journalisten über den Friedenslauf zu sprechen. Fischer ist „friedensbewegt seit dem Zivildienst“. Der Lehrer gehört zu den Initiatoren des ersten Friedenslaufs im Jahr 2000 und engagiert sich im Netzwerk Aachener Schulen gegen Gewalt und Rassismus. Im Gespräch wird deutlich: Der Lauf ist mehr als eine Spendenaktion. „Uns ist wichtig, dass die Lehrer das Begleitprogramm nutzen“, sagt Fischer. „Die Hälfte der Läufer hat diesmal daran teilgenommen.“

 

Mit Zeitzeugen gesprochen, die Grenzgeschichte erkundet

Zum Beispiel an den Workshops mit Spasoje Kulaga. Im Krieg 1992 bis 1995 hat er für die bosnisch-serbische Armee gekämpft. Als Invalide tritt er jetzt mit den „Veteranen für Frieden und Versöhnung“ Heldenmythos und Kriegsverherrlichung entgegen. In weiteren Unterrichtseinheiten wurde das Drama der syrischen Flüchtlingskinder thematisiert oder Rudolf Zwingmann als Zeitzeuge aus dem zweiten Weltkrieg aufmerksam zugehört. Per Bus konnte man die deutsch-belgische Grenzgeschichte erkunden, mit einem besonderen Blick auf die Zeit der beiden Weltkriege. „Friede fängt in unserer Klasse an“, lautet der Titel eines weiteren Angebots. Damit beschäftigt sich das friedenspädagogische Begleitprogramm auch mit persönlichen Themen wie Eifersucht und Machtkämpfen, Vertrauen und Fairness, Selbstwertschätzung und freundliches Miteinander, Mut und Zivilcourage, Coolness und innere Stärke. Matthias Fischer ist sicher: „Der Friedenslauf hat in den vergangenen Jahren deutliche Impulse für die Friedenspädagogik hinterlassen.“ 2009 wurde vom Aachener Stadtrat sogar ein „Fonds gegen Gewalt und Rassismus“ in Höhe von jährlich 50000 Euro im städtischen Haushalt untergebracht. Damit können Schulen friedenspädagogische Projekte finanzieren.

 

Eine Fröhlichkeit, die besser gefällt als die, welche in den Krieg führte

Annett Werner dankt den Helfern und Sponsoren, ohne die nichts laufen würde beim Friedenslauf. Nach dem Pressegespräch hat sich das Feld der Läufer schon weit auseinander gezogen. Während manche noch mit Volldampf unterwegs sind, zollen andere der Anstrengung Tribut. An der Stempelstation am Elisenbrunnen herrscht aber immer noch reger Betrieb. Jenny und Hans-Christian Rombach holen sich einen weiteren Stempel ab und starten durch zur letzten Runde. Andere stärken sich schon mit Kakao und Mamas Butterbrot und zählen stolz die Stempel auf ihrem Rücken.

Bevor um 11.30 Uhr die Schülerinnen und Schüler der weiterführenden Schulen starten, werden die „Promis“ begeistert begrüßt. Pfarrer Rolf-Peter Cremer ist aus dem Generalvikariat gekommen und zeigt sich in Anlehnung an das Motto der Heiligtumsfahrt begeistert vom „Frieden in Bewegung“. Hans-Peter Bruckhoff, Superintendent des evangelischen Kirchenkreises Aachen, erinnert daran, dass genau vor 100 Jahren fröhliche Soldaten in den Ersten Weltkrieg gezogen sind. „Da gefällt mir diese Fröhlichkeit für den Frieden doch viel besser.“ Oberbürgermeister Marcel Philipp betont, wie wichtig es ist, „jetzt, wo es kaum noch Zeitzeugen gibt“, die Erinnerung wach zu halten. Auch 2015 wird es einen Friedenslauf geben und Bananen. Die wurden diesmal vermisst. „Die bestellten Bananen sind leider grün und damit noch nicht genießbar“, entschuldigt André Schnitker. Und wo sind Jenny und Hans-Christian Rombach? Im Gewusel rund um den Elisenbrunnen nicht mehr aufzufinden. Ihre Sponsoren werden aber sicherlich ordentlich für die Friedensarbeit löhnen müssen.